Goethes letzte Worte (Trivia)
Wein oder Bier?
Johann Wolfgang Goethe war dem Wein sehr zugetan. Bis zu 20 Prozent seines Einkommens wurden zu Wein, den er aber nicht alleine trank. Denn als hochrangiger Repräsentant des Herzogtums Sachsen-Weimar hatte er gesellschaftliche Verpflichtungen. Regelmäßig war Goethes Dienstherr und Freund Herzog Carl-August zu Besuch. Goethe lud seine Kollegen aus der Administration zu vertraulichen Gesprächen ein. Friedrich Schiller kam natürlich auch oft ins Haus am Frauenplan. Und dann feierte Goethe einfach gerne und hielt Hof. An seiner wohlbestellten Tafel labten sich dann handverlesene Gäste an feiner Küche und ausgesuchten Weinen und kamen schließlich in den Genuss des Vortrags neuester Werke. Siehe auch: Dichter brauchen Wein.
Der Lieblingswein des Geheimrats war ein Silvaner mit wenig Säure (Würzburger Stein). „Kein anderer Wein will mir schmecken und ich bin verdrießlich, wenn mir mein Lieblingsgetränk abgeht“, schreibt er seiner Frau Christiane. Goethes Verhältnis zu Bier ist ambivalent. Vor der Abreise aus Leipzig zurück nach Frankfurt am Main (Anfang September 1768) resümiert der junge Goethe: „… das schwere Merseburger Bier verdüsterte mein Gehirn“ (Dichtung und Wahrheit ll, 8). Später erklärt Goethe seinem Freund Knebel: Das Biertrinken stumpfe die Nerven ab und werde die Schuld daran tragen an der künftigen „Geistlosigkeit, Verkrüppelung und Armseligkeit unserer Literatur“.
Andererseits nutzt der alte Goethe Bier als Grundnahrungsmittel. Wilhelm von Humboldt schreibt seiner Frau Carolin am 17.11.1823: „Ach Gott!, liebes Kind, Goethe hat auf nichts Appetit, nicht auf Bouillon, Fleisch, Gemüse; er lebt von Bier und Semmel, trinkt große Gläser am Morgen aus und deliberiert mit dem Bedienten, ob er dunkel- oder hellbraunes Köstrizer oder Oberweimarisches Bier – oder wie die Greuel alle heißen – trinken soll. Doch geht er meist in eine andere Stube dazu, wenn ich da bin.“
Haar-Reliquen
Der Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ erlangt nach der Veröffentlichung schnell Kultstatus. Die zeitgenössischen Leser/innen sind begeistert, tief wie Werther zu empfinden, zu weinen, zu leiden, sich wie Werther zu kleiden – und Goethe ist ihr Spiritus rector.
Ein regelrechter Goethe-Kult beginnt ab 1800 in Rahel Varnhagens Berliner Salon. Jetzt verehrt und bewundert das Publikum Johann Wolfgang Goethe für seine Forderung nach einer „harmonischen Ausbildung“ der eigenen Natur, so wie er es seinen Romanhelden Wilhelm Meister sagen lässt.
Der Wunsch seines Publikums, neben Büchern vom Meister etwas Persönliches zu besitzen, kann von einem Kammerdiener Goethes erfüllt werden. In seiner Funktion als Friseur ist es ihm möglich, so manche Haarsträhne oder Locke zu versilbern, die er vom Haupte des Genius’ abschneidet. Die Haare wurden dann vermutlich von weiblichen Fans als Relique in buntes Seidenpapier eingeschlagen und in einem Kästchen verwahrt.
Fragt sich, wie lange der Kammerdiener Reibach machen konnte, da Goethe unzweifelhaft von androgenetischer Alopezie betroffen war; die Geheimratsecken auf vielen Porträts zeigen es an. Nach einem übermäßigen Haarausfall zwischen 20 und 40, muss beim Dichter ein schleichender Haarverlust eingesetzt haben.
Lotterie
Goethe, der infolge seines Familienvermögens, mit seinem Salär als Minister und als erfolgreicher Dichter in Weimar einen behaglichen Wohlstand genießt, soll 1797 mehrere Losnummern der Hamburger Stadtlotterie erworben haben, um den Hauptpreis, Gut Schockwitz, einen Landsitz in Schlesien, zu gewinnen.
Wenn das wirklich stimmt, ist es amüsant, weil wir Johann Wolfgang Goethe als Schmied seines Glücks kennen und nicht als Bittsteller Fortunas. Marius Fränzel kann in seinen Fliegenden Goethe-Blättern belegen, dass sich der Dichter in Briefen an Friedrich Schiller und Herzog Carl August mitnichten die Schönheit des schlesischen Landleben „schwelgerisch“ ausgemalt hat.
Da Goethe das schlesische Gut nicht gewinnt, entweder weil er kein Glück hat oder keine Lose, muss er den üblichen Weg beschreiten. Er kauft für sich und seine Frau Christiane 1798 ein Freigut in Oberroßla, gut 10 Kilometer östlich von Weimar entfernt.
Ohne sich den Besitz überhaupt anzusehen, schließt Goethe den Kaufvertrag ab. Das Gut liegt ungünstig, weit vom Schuss. Die Gebäude sind in einem schlechten Zustand, die Pächter machen Schwierigkeiten. Goethe ist nur selten auf dem Gut und wenn, schlecht gelaunt. 1803 wird der Besitz wieder verkauft. Jahre später brennt das Gut bis auf die Grundmauern nieder.
Goethes letzte Worte: Mehr Licht
Warum nur dieses Bedürfnis, ja man möchte sagen die Gier nach wahrheitsgetreu überlieferten letzten Worten? Wir verbinden mit der Jagd nach ihnen wohl die Hoffnung, diese Worte brächten Erkenntnisse, mit denen wir unserem eigenen Leben mehr Sinn verleihen können. Oder die Hoffnung, das es möglich ist, ohne Jammern abzutreten, was wiederum ein schöner Beweis wäre, dass der menschliche Geist stärker ist als der Tod.
Johann Wolfgang Goethes letzte Worte wären gewesen: „Mehr Licht.“ Der Sterbende will nicht in das Reich der Schatten hinüberwandern; mehr Licht durch das Öffnen der Fensterläden bannt diese Schatten. Weil der greise Dichter (82) von längerer Krankheit geschwächt war und flüsterte, hörten einige Anwesende am Sterbebett aber auch „Mehr nicht“. Bei „Mehr nicht“ fragen wir uns, ob Goethe, genug vom Leben hatte? Oder ob er – was wahrscheinlicher ist – noch mehr vom Leben wollte: „Mehr nicht?“. Thomas Bernhard jedenfalls plädiert für "Mehr nicht!".
Ganz gewitzte Interpreten haben gemutmaßt, dass Goethes letzte Worte in seiner Frankfurter Mundart gesprochen wurden. Dann rief er nicht nach mehr Licht, sondern formulierte eine Binsenweisheit, etwa: „Mer liecht ... hier so unbequem“. Und das wäre für Freunde letzter Worte wahrlich sehr enttäuschend.