Goethe Live – REZITATion – FRANKFURT AM MAIN

Was für ein Geschenk!


Wie viel Romantiker steckt in Goethe?

 
Goethe ist nicht mal 50 Jahre alt, als eine neue Schriftstellergeneration in Deutschland das Wort ergreift: die Romantiker. Sie suchen nach Verbündeten. Die Frage, ob auch Goethe als romantischer Schriftsteller gelten kann, eröffnet einen neuen Blick auf Goethes literarisches Schaffen.

Klassiker Goethe

Traditionell wird Goethe der Weimarer Klassik zugeordnet, einer literarischen Epoche, die vom Streben nach Harmonie und Klarheit und der Einheit von Schönheit und Wahrheit geprägt ist. Zusammen mit Friedrich Schiller entwickelt Goethe eine Ästhetik, die sich an griechischen und römischen Vorbildern orientiert. 

Werke wie das Drama Iphigenie auf Tauris oder die Gedichtsammlung Römische Elegien spiegeln dieses Bestreben wider. Aus Goethes Feder stammen auch die Romane Die Leiden des jungen Werthers und Wilhelm Meisters Wanderjahre.

Schlegels Lob

Der Spiritus rector der Romantik, Friedrich Schlegel, lobt Wilhelm Meisters Wanderjahre, weil es dem Roman gelingt, die Welt in ihrer Unvollständigkeit zu erfassen und den Lesern erlaubt, seinen Protagonisten Wilhelm bei dessen persönlicher Entwicklung zu begleiten.

Die Leiden des jungen Werthers mit der Betonung von Gefühl, Naturverehrung und dem Fokus auf Individualität erfüllen ebenfalls romantische Forderungen. Auch Goethes Faust befasst sich mit romantischen Themen wie der Zerrissenheit des Menschen und dem Streben nach Erkenntnis.

Was ist Romantik?

Ein zentrales Jahr für die Romantik ist 1798, als Friedrich Schlegel die erste Ausgabe der Zeitschrift Athenäum herausgibt. Das Athenäums-Fragment Nr. 116 skizziert die romantische Poesie als progressive Universalpoesie. „Ihre Bestimmung ist …, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen.“

Die Romantiker – dazu gehören auch August Wilhelm Schlegel, Novalis oder Ludwig Tieck – feiern das Unbewusste, das Mystische und die Ironie als zentrale Elemente ihrer neuen Poetik. Friedrich Schlegel definiert das romantische Verständnis von Kunst als fragmentarisch, subjektiv und unvollendet.


Goethes Distanz

Goethe ist skeptisch gegenüber der Tendenz, das Subjektive zu überhöhen und das Gefühl über die Vernunft zu stellen. Dennoch teilt er die romantische Faszination für die Natur und das Geheimnisvolle. Gedichte wie Willkommen und Abschied, Der Erlkönig oder Heidenröslein spiegeln ein tiefes Empfinden für das Mystische in der Natur wider.

Goethe als Mittler

Goethe sympathisiert zeitweise mit den Romantikern, hält aber an seinen klassischen Idealen fest. Dennoch finden sich viele romantische Motive und Themen in seinem Werk, so dass Goethe als ein Mittler zwischen Klassik und Romantik gelten kann.

Heidenröslein*

Sah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell es nah zu sehn,
Sahs mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

Knabe sprach: ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich wills nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.

Und der wilde Knabe brach
's Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihm doch kein Weh und Ach,
Mußt es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.



* Ein Röslein, das spricht,
ist romantisch, nicht?
😊