Goethe live – Rezitation – Frankfurt am Main

Goethe live - Rezitation - Frankfurt am Main    

Römische Elegien - Das trieb Goethe in Rom - Rezitation live 

goethe-glücklich-mit-faustina-arm-in-arm Froh empfind ich mich auf klassischem Boden begeistert / Vor- und Mitwelt spircht lauter und reizender mir / Hier befolg ich den Rat, durchblättere die Werke der Alten / Mit geschäftiger Hand, täglich mit neuem Genuß / Aber die Nächte hindurch hält Armor mich anders beschäftigt ...



Wie jeder junge Dichter schreibt Johann Wolfgang Goethe Liebesgedichte. Als Stürmer und Dränger liefert er freche, kluge, witzige, selbstverliebte, aber auch melancholische Lyrik. 

Am Hofe in Weimar in der unglücklichen Beziehung zu seiner Mentorin Anna Amalia, am Gängelband seiner verheirateten Freundin Charlotte von Stein, lotet er tiefste Tiefen unerfüllter Liebe aus, um dann kurzentschlossen ins Land der Zitronen, nach Italien, zu flüchten.

Goethe verlässt Karlsbad (Böhmen) am 3. September 1786 – wenige Tage nach seinem 37. Geburtstag. Unter dem Pseudonym Filippo Möller und nach Herders Ausdruck wie ein "Künstlerbursche“ tritt der Geheime Rat seine gleichsam „unterirdische Reise an. Von Ende Oktober 1786 bis Ende April 1788 bleibt Goethe in Rom, besucht zwischendurch Neapel und Sizilien.

Der Aufenthalt in Rom bringt einen gänzlich neuen Schlag in seine Dichtung, den erotischen Goethe. Bei seiner Rückkehr im Sommer 1788 legt sich der verlorene, aber zurückgekehrte Sohn, prompt mit der feinen Weimarer Gesellschaft an. Die Römischen Elegien werden zum Skandal.

Heute erkennen wir in Goethes Römischen Elegien einen literarischen Schatz. Die Gedichte sind ein Bekenntnis zur Liebe, zum Eros, zur Dichtkunst und zum selbstbestimmten Leben.

Römische Elegien
Erotica Romana
Rom 1788


Inhalt Römische Elegien

Goethe beschreibt in seinen Elegien die Liebe zu einer Römerin („Faustina“) und macht damit wahr, was seinen gebildeten Lesern als Wortspielerei geläufig ist: ROMA rückwärts gelesen ergibt AMOR. Goethe findet in Rom also die große Liebe.

Goethes Rom-Aufenthalt ist aber zunächst geprägt von der Freude, dem grauen Weimarer Alltag entkommen zu sein.

O wie fühl ich mich in Rom so wohl! Gedenk ich der Zeiten,
Da mich ein graulicher Tag hinten im Norden umfing.
Trübe der Himmel und schwer auf meine Scheitel sich senkte,
Farb- und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag,
Und ich über mein Ich, des unbefriedigten Geistes
Düstre Wege zu spähn, still in Betrachtung versank.


Dann streift der Bildungshungrige - wahrscheinlich unter einem azurblauem Himmel - durch die „heiligen Mauern“ der ewigen Stadt. Die antike Welt ist in den „Ruinen und Säulen“ des Forum Romanum zu erahnen. Mit Verweis auf antike Mythologie imaginiert er schon in der ersten Elegie „Amors Tempel“. In der vierten von zwei Dutzend Elegien spricht er zum ersten Mal von der Geliebten.

In der 6. Elegie verbinden sich erotisches Abenteuer und mit lässiger Dichtkunst:

Wird doch nicht immer geküsst, es wird vernünftig gesprochen;
Überfällt sie der Schlaf, lieg ich und denke mir viel.
Oftmals habe ich auch schon in ihren Armen gedichtet
Und des Hexameters Maß, leise, mit fingernder Hand,
Ihr auf den Rücken gezählt …


Besuchen Sie die

 Casa di Goethe
Via del Corso 18
00186 Roma RM
Italien


Römische Elegien: Hintergrund

Aus Goethes Briefwechsel geht hervor, dass er die Römischen Elegien im Herbst 1788 zu schreiben beginnt und im Frühjahr 1790 vollendet. Aber weder in den zahlreichen Briefen, die ihre Entstehung begleiten, noch in jenen, die er aus Rom nach Deutschland schickt, erwähnt er die Frau, die sie inspiriert hatten. Dafür hatte er gute Gründe.

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Johann Wolfgang Goethe am Fenster seiner römischen Wohnung.


 Im Laufe der Arbeit daran gibt Goethe die Elegien seinen Freunden zu lesen. Am 1. Januar 1791 schreibt er an Knebel, dass Herder ihm von der Veröffentlichung abgeraten hätte. Der erotische Inhalt der Elegien würde  einen Skandal erregen. Und so zögert Goethe noch einige Jahre, bevor er beschließt, die Gedichte dennoch zu publizieren, und zwar in Schillers Zeitschrift Die Horen im Juli 1795.

Am 20. Juli schreibt Friedrich Schiller, dass bis jetzt noch niemand Anstoß genommen habe, doch setzt er vorsichtig hinzu: „die eigentlich gefürchteten Gerichtshöfe haben freilich noch nicht gesprochen.“

Das war nicht ganz richtig. Schon am 9. Juli hatte Herzog Carl August sofort nach dem Erhalt des Heftes Schiller seine Einwände ausgedrückt, indem er schrieb „Für die überschickten Horen sage ich den verbindlichsten Dank. Die Elegien hatten mir sehr wohl gefallen, da sie mir der Autor vorlas oder hererzählte; indessen glaube ich immer, er würde sie noch etwas liegen lassen, ehe er sie öffentlich erscheinen ließ. Wenn sie vor dem Druck in die Hände mehrerer Freunde gegeben worden, so würde man vielleicht den Autor vermocht haben, einige zu rüstige Gedanken, die er wörtlich ausgedrückt hat, bloß erraten zu lassen; andere unter geschmeidigeren Wendungen mitzuteilen, noch andere ganz zu unterdrücken.“

Sehr viel heftiger war die Reaktion Herders, von der der Weimarer Gymnasialdirektor Carl August Böttiger seinem Freund Friedrich Schulz in einem Brief vom 7. Juli berichtet: „Zu den merkwürdigsten Erscheinungen an unserem literarischen Himmel“ schrieb er, „gehören Goethes Elegien im 6. Stück der Horen. Es brennt eine genialische Dichterglut darinnen, und sie stehen in unserer Literatur einzig. Aber alle ehrbaren Frauen sind empört über die bordellmäßige Nacktheit. Herder sagte sehr schön: er habe der Frechheit ein kaiserliches Insiegel aufgedrückt. Die Horen müßten nun mit „u“ gedruckt werden.“
 

Was ist eine Elegie?

Der Begriff Elegie bezeichnet nach weitläufigem Verständnis ein Gedicht, das ein trauriges, klagendes Thema zum Inhalt hat. In der Frühzeit der griechischen Literatur sind Elegien Totenklagen, Kriegslieder, aber auch Loblieder auf den Wein, das thematische Spektrum ist weit. 

In den Liebeselegien der römischen Dichter Tibull, Properz und Ovid rücken die eigenen Gefühle: Liebesfreude und besonders Liebesleid als Gegenentwurf zu gesellschaftlichen Erwartungen und Zwängen in den Mittelpunkt des Dichtens. Die klassische römische Elegie richtet sich an ein elitäres Publikum. Ihr ist nur eine kurze Blüte vergönnt.

Bei Johann Wolfgang Goethe lebt die Elegie in ihrer römischen, d. h. sinnlich-erotischen Ausprägung fort. Goethe trauert in seinen Elegien über den Verlust einer Zeit, die er als die glücklichste in seinem Leben betrachtet.

Die metrische Form: Distichen bestehend aus Hexameter und Pentameter sorgen bei Goethes Freunden, Kennern der Antike und ihrer Literatur, für Bewunderung und höchsten Lesegenuss. Für uns, ein zeitgenössisches Publikum, sind Distichen höchst gewöhnungsbedürftig.

Goethes Verse entfalten trotzdem ihren Reiz. Die Erlebnisse eines modernen Menschen meisterhaft in ein Versmaß der Antike gegossen, diese Unmöglichkeit, das ist große Kunst.