Goethe live – Rezitation – Frankfurt am Main

Goethe live - Rezitation - Frankfurt am Main    

Sturm und Drang - Rezitation live

der-junge-goethe-dichtet-im-garten-unter-blühenden-kirschbäumen Wie herrlich leuchtet / Mir die Natur! / Wie glänzt die Sonne! / Wie lacht die Flur / Es dringen Blüten / Aus jedem Zweig / Und tausend Stimmen / Aus dem Gesträuch ...



Sturm und Drang, das hört sich wild an ... Und das ist es auch. Wir kennen Goethes Drama Götz von Berlichingen (1773). Hier erfreut man sich fast 250 Jahre nach der Entstehung immer noch am schwäbischen Gruß, den Götz seinen Feinden entgegenschmettert. Aber auch Goethes feinfühliger Briefroman Die Leiden des jungen Werther (1774) gehört dazu. Denn zu stürmen und zu drängen heißt nicht nur, Kraftausdrücke zu benutzen, sondern ohne Rücksicht emotional zu sein, frei zu reden und zu handeln.


Wer hat den Sturm und Drang erfunden?

Die Bezeichnung entsteht noch zu Lebzeiten Goethes um 1820. Sie geht zurück auf das gleichnamige Drama Sturm und Drang (1776) von Friedrich Maximilian Klinger, der zu Goethes Frankfurter Freundeskreis gehört. Klinger und Goethe sind aber nicht die einzigen Stürmer und Dränger.

Zu nennen sind im gleichen Atemzug Goethes Freunde aus der Straßburger Zeit Johann Gottfried Herder und Jakob Michael Reinhold Lenz sowie Johann Georg Hamann, Heinrich Wilhelm Gerstenberg, Christian Friedrich Daniel Schubart, Gottfried August Bürger, Heinrich Leopold Wagner, Johann Anton Leisewitz und nicht zuletzt Friedrich Schiller.

Mit diesen Dichtern, Autoren und Philosophen geht ein Ruck durch die deutsche Literatur – sowohl in Drama, Epik und Lyrik.
 

Stürmische Lyrik

Lyrik erfährt in der Epochedes Sturm und Drang eine starke Wandlung. Schon Friedrich Gottlieb Klopstocks Oden von 1750 stellen die Vernunftherrschaft der Aufklärung mit freien Rhythmen infrage, aber die Stürmer und Dränger gehen noch weiter. Goethe & Co. wenden sich ab von jeglicher Regelpoetik und dichten so, wie es ihnen in den Sinn kommt.

Im Unterschied zur Literatur der Aufklärung, die im Menschen ein Vernunftwesen sieht, manifestiert sich in der Literatur für die Stürmer und Dränger in der Entfesselung des Gefühls und der Fantasie als neuer dichterische Grundhaltung. Dichter und Protagonisten und Leser dürfen plötzlich tief empfinden, lieben, leiden und verzweifeln, weinen und wüten oder sich wie Werther selbst richten – was natürlich sehr unvernünftig ist.


Erfindung des Originalgenies

Die Protagonisten des Sturm und Drang bezeichnen sich stolz als Originalgenies. Deshalb wird die Epoche des Sturm und Drang auch als Geniezeit bezeichnet. Und das größte Genie, der Prototyp des schöpferischen Menschen, ist ohne Zweifel Johann Wolfgang Goethe.


Goethes Lyrik

Goethe geht es nicht darum, "große" Kunst zu machen, sondern sein Lebensgefühl zu beschreiben. Es bleibt nicht aus, dass viele Goethe-Gedichte, die Gefühl, Natur und Originalität feiern, auch als Gesellschaftskritik gelesen werden können, Prometheus (1774) zum Beispiel.

Im Mailied (1774), das zum Gedichtzyklus Sesenheimer Lieder gehört, zeigt sich der Dichter verliebt. Die Liebe als Prinzip, nicht nur die Liebe zum Mädchen, sondern auch die Liebe zur Natur und zum Leben sind Quellen der Inspiration.

Im Gedicht Willkommen und Abschied (1795) wird der Abschied vom geliebten Mädchen (Friederike Brion) und der Abschied von der Liebe thematisiert. Der rasche Wechsel der Gefühle und Eindrücke und der tränenreiche Schluss zeigen auf Schönste, wozu Stürmer und Dränger wie Goethe in der Lage sind.

Lyrik des Sturm und Drang zeigt aber auch, dass die jungen Autoren neue Produktionsmethoden ausprobieren. Statt in der gemütlichen Stube hinter Butzenglas und vor dem Ofen Verse zu drechseln, setzt sich der Dichter der Natur und dem wechselhaften Wetter aus.

Wanderers Sturmlied beschreibt die überwältigenden Eindrücke des Wanderers im Sturm. In Dichtung und Wahrheit bekennt Goethe: "Ich sang diesen Halbunsinn leidenschaftlich vor mich hin, da mich ein schreckliches Wetter unterwegs traf, dem ich entgegen geh'n mußte."


Goethes doppelte Existenz

Goethe führt gewissermaßen ein Doppelleben. Einerseits ist er als Jurist Repräsentant einer wohlgefügten bürgerlichen Gesellschaft, andererseits freut er sich seines Daseins als poetischer Rebell.

Goethes lyrische Sprache ist so atemberaubend neu, dass sie uns auch heute – über 250 Jahr später – unglaublich frisch und lebendig erscheint. Seine vibrierende Erlebnislyrik macht uns Lust, die Routinen unseres eigenen Lebens zu hinterfragen - und natürlich Lust auf mehr Goethe, Sturm und Drang.